Bis zu zwölf Prozent meiden Arztbesuch wegen Zuzahlungspflicht – „Kassengebühr“ jetzt abschaffen
Doch nicht nur Arme gehen weniger zum Arzt. Auch die eigentlich beabsichtigte Steuerungswirkung ist nicht nachweisbar, wie ein der Nachrichtenagentur Reuters vorliegender Prüfbericht zur Praxisgebühr im Auftrag des GKV-Spitzenverbands zeigt. Nach wie vor ist die Zahl der Arztkontakte pro Patient und Jahr mit rund 17 hierzulande überdurchschnittlich hoch. Es gebe eine „ungebremste Inanspruchnahme“, so der GKV-Bericht. Sogar entgegensetzte Effekte seien festzustellen: Bei manchen Patienten ist eine Flatrate-Mentalität in den Praxen zu beobachten – mit der Folge erhöhter Verordnungen.
Problematisch zeigt sich auch der bürokratische Aufwand in den Praxen: So müssen die zehn Euro sicher erfasst, in einer gesonderten Buchhaltung geführt, im EDV-System abgeglichen und im Fall von säumigen Zahlern angemahnt werden. Ein zusätzlicher Mehraufwand entsteht bei Notdiensten. Die Kosten dafür trägt der Arzt selbst. Die Zeit, in der sich Praxismitarbeiter darum kümmern, fehlt den Patienten.
„Wir begrüßen die aktuellen Signale aus der Politik, dass über ein Ende des gescheiterten Experiments Praxisgebühr nachgedacht wird“, sagt Seusing. Der Zeitpunkt sei dabei günstig. Mit der momentan sehr guten und auch absehbar komfortablen Finanzausstattung des GKV-Systems ist die Streichung der rund 1,5 Milliarden, die den Kassen über die Arztpraxen zugute kommen, jetzt sinnvoll, machbar und sozial richtig“, sagt Matthias Seusing.
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