Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis

Jede Arztpraxis, die mindestens einen Mitarbeiter beschäftigt, muss eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Das ist Teil des gesetzlichen Arbeitsschutzes.

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Was ist eine Gefährdungsbeurteilung?

Die Gefährdungsbeurteilung zeigt, wo das Praxisteam

  • Gefahrstoffen
  • Infektionsgefahr
  • Unfallrisiken
  • Gesundheitsbelastungen

ausgesetzt ist. Diese Gefahren sollen erkannt und beurteilt werden. In einem zweiten Schritt lassen sich dazu passende Arbeitsschutzmaßnahmen festlegen. Die Gefährdungsbeurteilung ist also Prävention.

Details dazu schreiben §5 Arbeitsschutzgesetz und DGUV Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vor. Klicken Sie hier für mehr Informationen zu den Grundlagen des Arbeitsrechts.

§ 5 Arbeitsschutzgesetz

Beurteilung der Arbeitsbedingungen

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
  6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Das Arbeitsschutzgesetz ist Teil der aushangpflichtigen Gesetze. Das heißt, dieses Gesetz muss für alle Mitarbeiter in der Arztpraxis jederzeit zugänglich sein.

Wer darf eine Gefährdungsbeurteilung durchführen?

Eine Gefährdungsbeurteilung können Sie als Praxisinhaber selbst durchführen. Dafür müssen Sie eine Schulung von ca. 4 Stunden absolvieren (Unternehmermodell). Nach 5 Jahren ist ein Kurs zur Auffrischung nötig. Sie können sich aber auch Hilfe bei einem Betriebsarzt oder einer Fachkraft für Arbeitssicherheit holen. Lesen Sie hier mehr zum Thema Betriebsarzt.

Außerdem dürfen Sie einzelne Aufgaben an fachkundige Mitarbeiter delegieren. Das müssen Sie schriftlich tun und den Verantwortungsbereich und die Befugnisse genau definieren.

Wie führe ich eine Gefährdungsbeurteilung durch?

Zuerst müssen Sie die Gefahren, die in Ihrer Praxis lauern, erkennen, beurteilen und dokumentieren. Dann entwickeln Sie Gegenmaßnahmen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen müssen Sie überprüfen und die Gefährdungsbeurteilung regelmäßig anpassen.

Die Gefährdungsbeurteilung wird auf drei Arten durchgeführt:

  • arbeitsbereichsbezogen
  • tätigkeitsbezogen
  • personenbezogen

Sie beurteilen also die Gefährdung je Arbeitsbereich (z. B. Verwaltung, Labor, Lager, OP). Zusätzlich listen Sie einzelne Tätigkeiten (z. B. Blutabnahme, Verbandswechsel) und auftretende Gefahren auf. Drittens betrachten Sie die Gefahren für bestimmte Personen oder Gruppen, z. B. Schwangere, Stillende oder Minderjährige. Lesen Sie mehr unter Mutterschutz.

Dabei helfen Ihnen diese Dokumente:

Einen Notfallplan können Sie gemeinsam mit unserer Praxisinfo Nr. 40 „Notfall-Pläne und Unterweisungs-Nachweise“ herunterladen.

Tipp

Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in die Gefährdungsbeurteilung ein. Sie kennen alle denkbaren Gefahrenquellen oft am besten. Oft sind auch Routine-Tätigkeiten mit versteckten Gefahren behaftet.

Arten von Gefahren

Die Gefährdungsbeurteilung ist für jede Arztpraxis individuell. Sie ist abhängig von der Größe bzw. Mitarbeiterzahl der Praxis. Aber auch die Fachrichtung bestimmt, wo Gefahren für die Gesundheit der Mitarbeiter lauern.

In einer radiologischen Praxis ist die Strahlenbelastung ein Risiko. In einer HNO-Praxis, die ambulante Operationen anbietet, drohen z. B. Schnittverletzungen durch ein Skalpell. Daneben gibt es Risiken, z. B.

  • über freiliegende Kabel zu stolpern
  • im Lager von einer Leiter zu stürzen
  • Ekzeme durch häufiges Waschen und Tragen von Handschuhen zu bekommen
  • Allergien zu entwickeln
  • Psychosomatische Krankheiten durch Stress

und vieles mehr.

Dokumentieren Sie jede Gefährdung. Kommt ein Mitarbeiter durch eine Gefahr zu schaden, die Sie nie dokumentiert haben, kann das sehr teuer für Sie werden.

Andrea Schannath
Rechtsberatung

Risikoklassen

Noch schwieriger als alle Gefahren zu erkennen, ist die Bewertung. Lassen Sie sich dabei von diesen Fragen leiten:

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass in einer Arbeitssituation ein Unfall passiert?
  • Wie gravierend wären die Folgen?

Daraus lassen sich die Gefahren in 3 Risikoklassen einteilen:

  1. Geringes Risiko
  2. Mittleres Risiko
  3. Hohes Risiko

Bei mittleren Risiken droht keine unmittelbare Gefahr, langfristig aber doch. Deshalb muss das Risiko so schnell wie möglich reduziert werden. Ein hohes Risiko gilt als nicht akzeptabel. Solche Risiken müssen sofort und unter allen Umständen vermieden werden. Dazu zählt z. B. die Infektion mit HIV oder Hepatitis.

Risiko Nadelstich-Verletzung

Eine der größten Gefahren über alle Fachgruppen hinweg ist das Risiko einer Nadelstichverletzung. Wie sich dieses Risiko minimieren lässt, erklären wir im Praxisärzte-Blog. In unserem Notfallplan ist ebenfalls ein eigenes Kapitel dazu enthalten.

Ein Beispiel für so ein Gefährdungsszenario: Die MFA bereitet die Blutabnahme am linken Arm des Patienten vor, wechselt dann aber auf Wunsch des Patienten nach rechts. Der Abwurfbehälter bleibt links stehen. Nach der Blutabnahme muss die MFA also mit offener Nadel von rechts nach links zurückwechseln. Die Infektionsgefahr steigt dadurch.

Ist das Problem erkannt, lässt sich die Gefährdung aber auch senken. Z. B. kann ein Abwurfbehälter an beiden Seiten aufgestellt werden, oder in der Mitte. Zusätzlich sollten stichsichere Instrumente verwendet werden.

Die Checkliste „Blutabnahme“ können Sie am Seitenende herunterladen.

Maßnahmen zum Arbeitsschutz

Haben Sie eine Gefahrenquelle erkannt, müssen Sie sie beseitigen. Wenn das nicht möglich ist, sollten Sie technische oder organisatorische Maßnahmen (TOM) zum Schutz treffen. Nachgeordnet können Sie auch persönliche Schutzmaßnahmen treffen.

Beispiele:

  • Gefahrenquelle beseitigen: Nitrilhandschuhe anstelle von Latexhandschuhen verwenden, um Latexallergien vorzubeugen
  • Technische Maßnahmen: sichere Injektionssysteme verwenden, um Nadelstichverletzungen zu verhindern
  • Organisatorische Maßnahmen: Zwischen Arbeit im Sitzen und im Stehen abwechseln, um Rückenproblemen vorzubeugen
  • Personenbezogene Maßnahmen: Schwangere MFA von bestimmten Arbeiten ausschließen
Tipp

Entwickeln Sie die Maßnahmen gemeinsam mit Ihrem Praxisteam. So werden sie deutlich besser akzeptiert und umgesetzt.

Prüfung und Strafen

Bei einer Praxisbegehung durch das Amt für Arbeitsschutz wird geprüft, ob Sie Ihren Verpflichtungen in Sachen Arbeitsschutz nachkommen. Entdeckt die Behörde Mängel, kann sie Bußgelder verhängen. Bei kleineren Beanstandungen wird sie Sie dagegen nur auffordern, diese Mängel zu beseitigen.

Lesen Sie hier, wie eine Praxisbegehung abläuft. Laden Sie auch die Checkliste zur Vorbereitung auf die Praxisbegehung herunter.

Passiert ein Unfall in Ihrer Praxis, können Nachlässigkeiten bei der Gefährdungsbeurteilung Ihren Versicherungsschutz beeinträchtigen.

Spätestens alle 5 Jahre muss die Gefährdungsbeurteilung erneut überprüft werden. Denn die Gefährdungsbeurteilung ist ein Prozess. Sie ist niemals abgeschlossen, sondern muss laufend auf ihre Wirksamkeit überprüft und verbessert bzw. erweitert werden. Das Ziel ist, eine Kultur der Prävention zu etablieren.

Wo finde ich eine Vorlage für die Gefährdungsbeurteilung?

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hat eine Broschüre zur Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis herausgegeben. Außerdem finden Sie bei der BGW Arbeitsblätter für die Beurteilung.

Einen Notfallplan finden Sie unter unseren Praxisinfos und am Seitenende.

Ergänzend dazu können Sie unsere Musterverträge für die sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung herunterladen. Nutzen Sie unsere kostenlose Rechtsberatung für Mitglieder, wenn Sie die Verträge an Ihre Praxis anpassen.

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