Wann Praxisinhaber für angestellte Ärzte haften

Was passiert, wenn ein angestellter Arzt Fehler macht – haftet er selbst oder sein Arbeitgeber in der Praxis? Je nachdem, ob es sich um Behandlungsfehler, Verstöße gegen Berufsrecht oder Abrechnungsbestimmungen handelt, gelten unterschiedliche Haftungsregeln.

 

Ärzte haften im Praxisalltag nicht nur für die korrekte Behandlung. Neben Schadensersatz und Schmerzensgeld für Behandlungsfehler entstehen Haftungsfragen am häufigsten im Zusammenhang mit

Dabei gelten teilweise unterschiedliche Regeln für angestellte Ärzte (Arbeitnehmer) und für Praxisinhaber (Arbeitgeber).

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Haftung für Behandlungsfehler

Die Grundlage jeder Behandlung ist der Behandlungsvertrag, den Arzt und Patient (meist implizit) schließen. Im Patientenrechtegesetz (§ 630 a BGB) heißt es dazu:

(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist.

(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

Achtung: Der Behandler laut Patientenrechtegesetz muss nicht dieselbe Person sein, die auch die Behandlung durchführt. Wenn zum Beispiel eine MFA Blut abnimmt, tut sie das im Auftrag des Arztes. Dieser ist der Behandler gemäß Behandlungsvertrag. Die MFA – oder eben ein angestellter Arzt – agiert nur als „Erfüllungsgehilfe“.

Der Behandlungsvertrag wird immer mit dem Praxisinhaber geschlossen. Als Arbeitgeber hat er die Pflicht, die Arbeit seiner Angestellten (Ärzte, MFA, etc.) zu überwachen. Als Arbeitgeber haftet er für die ordnungsgemäße Behandlung auch dann, wenn sie von Mitarbeitern durchgeführt wird.

Ist der angestellte Arzt damit aus der Haftung entlassen? Nein. Er haftet nämlich ebenso, wenn er unerlaubt, also deliktisch handelt. Im juristischen Sprachgebrauch heißt das: Arbeitgeber und Arbeitnehmer haften im Außenverhältnis uneingeschränkt nebeneinander als Gesamtschuldner.

Wenn also ein Patient eine berechtigte Forderung stellt, müssen Praxisinhaber und angestellter Arzt sie begleichen und untereinander klären, wer von beiden welchen Anteil übernimmt. Sollte es zu einem Prozess kommen, werden üblicherweise beide Ärzte angeklagt und scheiden somit als Zeugen für den jeweils anderen aus.

Tipp: Für die Mitglieder des Virchowbundes haben wir Muster-Behandlungsverträge für Kassen- und Privatpatienten entwickelt. Wie Sie diese Verträge individuell für Ihre Arztpraxis anpassen können, dazu beraten wir Sie gerne. Nutzen Sie auch unsere Checkliste, was Sie bei Behandlungsfehlern tun sollten.

 

Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers

Haften Praxisinhaber und angestellter Arzt gemeinsam, kann sich der angestellte Arzt aber auf den innerbetrieblichen Freistellungsanspruch berufen.

Diese Arbeitnehmerprivilegierung bedeutet, dass der angestellte Arzt nur abhängig von seinem Verschuldensgrad haften muss.

Wie in anderen Bereichen unterscheidet man juristisch die Verschuldenskategorien

  • einfache Fahrlässigkeit
  • normale/mittlere Fahrlässigkeit
  • grobe Fahrlässigkeit
  • Vorsatz

In den letzten beiden Fällen, grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz, haftet der Arbeitnehmer voll, bei einfacher Fahrlässigkeit dagegen gar nicht. Nur bei mittlerer Fahrlässigkeit müssen die Umstände im Einzelfall abgewogen werden. Das Resultat ist meistens eine Aufteilung der Haftung nach Quoten, z. B. 50:50 oder 70:30.

Tipp: In manchen Arbeitsverträgen versuchen Arbeitgeber mithilfe von Klauseln den Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers zu beschneiden und das Haftungsrisiko voll auf ihn abzuwälzen. Das verstößt gegen das Arbeitnehmerschutzrecht. Solche Klauseln sind unwirksam. Wenn Sie beim Arbeitsvertrag – sowohl als Arbeitgeber als auch als Arbeitnehmer – auf Nummer sicher gehen wollen, nutzen Sie die Musterarbeitsverträge des Virchowbundes und lassen Sie sich rechtlich beraten.

 

Haftung gegenüber der KV

Wer als Vertragsarzt tätig ist, hat vertragliche Pflichten gegenüber der KV (z. B. eine gewisse Zahl an Sprechstunden für Kassenpatienten anzubieten und genau und korrekt abzurechnen. Ist der angestellte Arzt auch Mitglied der KV, haftet er wie der Praxisinhaber, wenn er seinen Pflichten nicht nachkommt.

Zusätzlich haftet aber auch der Arbeitgeber, denn er ist mitverantwortlich dafür, dass der angestellte Arzt seine Vertragsarztpflicht erfüllt. Verursacht ein angestellter Arzt durch fehlerhafte Abrechnung einen Regress, haften also im Innenverhältnis sowohl der Praxisinhaber als auch der angestellte Arzt.

 

Haftung gegenüber Privatpatienten

Bei Abrechnung nach der GOÄ gilt derselbe Grundsatz wie beim Beispiel des Behandlungsfehlers: Der angestellte Arzt behandelt und erstellt die Rechnung im Auftrag seines Arbeitgebers. Damit ist der Praxisinhaber dafür haftbar, dass die Rechnung korrekt ist.

Lesen Sie hier, wie Sie eine korrekte GOÄ-Rechnung stellen und wie Sie mit Selbstzahlern in der Praxis umgehen.

 

Haftung bei Unfällen

Verursacht ein angestellter Arzt einen Unfall mit dem Praxis-PKW, gelten wieder die Grundsätze zur Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. Je nach Verschuldensgrad liegt die Haftung beim Arbeitgeber, beim Arbeitnehmer oder anteilig bei beiden.

Die Voraussetzung dafür ist aber, dass die Fahrt im Auftrag des Arbeitgebers erfolgt ist. Wenn der angestellte Arzt den Praxis-PKW für private Zwecke benutzt, handelt er nicht im Auftrag des Praxisinhabers. Dementsprechend haftet er alleine.

Einen noch detaillierteren Einblick in Rechte und Pflichten angestellter Ärzte bekommen Sie in unserer Praxisinfo „Angestellter Arzt in der Vertragsarztpraxis“ und in unseren ergänzenden Praxisinfos „Besuch vom Staatsanwalt“ sowie „Vertretung des Vertragsarztes in der Praxis“. Als Mitglied im Virchowbund können Sie diese und über 90 andere Praxisinfos, Musterverträge und Checklisten ganz einfach als PDF downloaden.

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