Kommentar zur Krankenhausreform

Die Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen im Virchowbund, Dr. Frauke Wulf-Homilius, äußert sich in einem aktuellen Kommentar zur Krankenhausreform (Referentenentwurf vom 16.3.2024):

Dr. Frauke Wulf-Homilius, Vorsitzende Landesgruppe Niedersachsen / Bremen (© Virchowbund / Lopata)

Dr. Frauke Wulf-Homilius, Vorsitzende Landesgruppe Niedersachsen / Bremen (© Virchowbund / Lopata)

"Die Krankenhausreform nimmt langsam Gestalt an. Laut Referentenentwurf (§ 116a) soll zukünftig der Zulassungsausschuss in Planungsbereichen, in denen der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine eingetretene Unterversorgung nach § 100 Abs. 3 SGB V festgestellt hat, nach Antrag zur ambulanten Behandlung durch Krankenhäuser, diesen eine Ermächtigung aussprechen „müssen“.

In Niedersachsen betrifft diese Regelung 95 von insgesamt 125 Planungsbezirken. Dies stellt ein erhebliches Gefahrenpotential für noch funktionierende Strukturen dar.

Der Virchowbund hat diese Pläne kritisiert.

Die Politik erscheint immer verzweifelter bei dem Versuch, die ambulante Versorgung zu verbessern, sei es fachärztlich, kinderärztlich oder hausärztlich. Nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG, 2018) hofft man nun, dass Gesundheitskioske, Gemeindeschwestern und Telemedizin, sowie eine bessere Vernetzung durch „Digitalisierung“ eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung herbeiführen.

Im Ergebnis stellt die Bevölkerung aber eine schlechter werdende ärztliche Versorgung fest. Die Praxen (auch Klinken) stehen regional zunehmend unter Leistungs- und Wirtschaftlichkeitsdruck. In einigen Regionen wird vergeblich ein Hausarzt gesucht, in vielen anderen Fachrichtungen sieht es nicht besser aus. Einen Hautarzttermin gibt es im Raum Göttingen z. B. erst in im Januar 2025. In unsere Augenarztpraxis kam letzte Woche ein 45-Jähriger als Notfall (Gefäßverschluss). Und zwar als Akut-Patient aus einer 50 km entfernten Nachbarregion, weil er vor Ort keinen Termin erhielt. Ich musste ihn als Notfall mit dem Rettungswagen in eine 70 km entfernte Stroke-Unit-Klinik schicken, weil er bat, in seiner Heimatregion versorgt zu werden.

Bei allen Initiativen sieht sich die ärztliche Selbstverwaltung als eher angetriebene Exekutive denn als Mitgestalter. Um gesunde Strukturen zu erhalten, sollte es aber im Interesse der Ärztevertreter sein, über neue Lösungen nachzudenken.

Folgende Punkte müssen noch aktiver an die politischen Vertreter herangetragen werden:

  1. Wir brauchen eine regionale Bestandsaufnahme von hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsengpässen.
  2. In von Unterversorgung betroffenen Regionen müssen regionale Konzepte mittels Verbünden/Arbeitsgruppen gemeinsam mit Kommunen, Rettungsdiensten und Klinikeinrichtungen/Pflegeeinrichtungen gestaltet werden (z. B. Modell Delmenhorst bzw. Curandum).
  3. Kommunen mit schlechter medizinischer Versorgung benötigen Fördergelder zum Aufbau und Erhalt neuer Strukturen. Die ärztliche Versorgung muss hier zwingend entbudgetiert werden. Die Unterversorgung im hausärztlichen Bereich ist nur die Spitze des Eisbergs. Nicht nur sie zwingt uns, neue Wege zu gehen. Die Quartiersversorgung in Wiesbaden von 20.000 Einwohnern kostet zum Beispiel zusätzlich 70.000 Euro pro Jahr.
  4. Die Verhältniszahlen der Bedarfsplanung müssen angepasst werden. Hausärzte können mittlerweile im Schnitt 2.000 Einwohner versorgen und nicht 1.500 Einwohner, so wie es derzeit die Verhältniszahl des BMG vorgibt.
  5. Prävention und Patientensteuerung müssen früh ansetzen, zum Beispiel über Gesundheitserziehung in der Schule (Klasse 9/10 im Rahmen der Erste-Hilfe-Kurse). Es ist ein wichtiger Bestandteil der Bildung, Schülerinnen und Schüler über verschiedene Gesundheitsthemen aufzuklären und sie zu befähigen, gesunde Entscheidungen zu treffen. Dies schließt auch Informationen über den sinnvollen Zugang in die verschiedenen Ebenen der Gesundheitseinrichtungen ein. Zusätzlich ist ein Multiplikator-Effekt zu erwarten, indem die Kinder dieses Wissen in ihre Familien tragen.

 

Der vom Bund in Aussicht gestellte Transformationskosten-Zuschuss von 50 Milliarden Euro muss den Vernetzungsstrukturender kommunalen Versorgungzugutekommen. Kommunen, Kliniken und ambulante Versorgungsstrukturen inklusive Pflege und soziale Einrichtung benötigen Strukturhilfe, um eine suffiziente Quartiersversorgung zu organisieren.

Die einzelnen Elemente im regionalen Versorgungsbaukasten vieler Pilotstudien können als Basis dienen. KV-Bezirksstellen sollten zusammen mit dem Rettungsdienst, den Kommunen und den weiteren Partnern im (Online-)Austausch Vereinbarungen zur Bildung neuer Strukturen treffen „müssen“."

 

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