
In unserem Rechts-Newsletter sammeln wir für Sie aktuelle Urteile und juristische Fälle. Sie haben noch Fragen zu Arbeitsrecht, Berufsrecht oder einem Vertrag? Ich berate Sie gern.
Muss Ihre Praxiswebseite barrierefrei sein?
Am 28. Juni greift das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Arztpraxen und MVZ müssen dann dafür gesorgt haben, dass ihre Praxiswebseiten barrierefrei sind – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Sobald Sie diese Kriterien erfüllen, gilt das BFSG für Sie:
- Wenn Sie auf Ihrer Webseite einen Online-Terminkalender, Videosprechstunden, ein Kontaktformular oder einen Shop (z. B. für Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika) anbieten
- Wenn Sie kein Kleinunternehmen sind: Sie beschäftigen mehr als 9 Mitarbeiter UND / ODER Ihr Jahresumsatz bzw. Ihre Bilanzsumme liegt über 2 Millionen Euro
Nur wenn Sie eine dieser Voraussetzungen erfüllen, müssen Sie Ihre Webseite „barrierefrei“ gestalten.
Wann ist eine Webseite barrierefrei?
Barrierefreiheit bedeutet, dass eine Webseite für möglichst viele Menschen uneingeschränkt zugänglich ist. Insbesondere Menschen mit Sehbehinderungen, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Beeinträchtigungen sollen davon profitieren.
Dabei sind 4 Grundprinzipien zu beachten:
- Wahrnehmbarkeit: Texte, Bilder und Videos müssen so dargestellt werden, dass sie für alle Nutzer erfassbar sind (z. B. durch Alternativtexte oder Untertitel – blinde Menschen, die sich Webseiten mittels Screenreader vorlesen lassen, erhalten somit eine Bildbeschreibung).
- Bedienbarkeit: Die Navigation muss einfach und ohne Zeitdruck möglich sein, auch mit alternativen Eingabemethoden wie Tastatur- oder Spracheingabe.
- Verständlichkeit: Inhalte sollten in klarer, leicht verständlicher Sprache verfasst sein.
- Robustheit: Die Webseite muss mit allen gängigen Browsern, Geräten und Technologien kompatibel sein.
Das können Sie jetzt tun
Damit Ihre Webseite BFSG-konform wird, sollten Sie (bei Bedarf) z. B. folgende Anpassungen vornehmen:
- Texte in klarer Sprache formulieren, ohne Fachjargon oder komplizierte Satzstrukturen
- Hohe Farbkontraste verwenden, damit Texte und Bedienelemente gut sichtbar sind
- Sogenannte „ALT-Texte“ für Bilder und Infografiken hinterlegen (sofern die Bilder nicht rein-dekorativ sind)
- Videos mit Untertiteln oder Audiobeschreibungen ausstatten
- Eine tastaturfreundliche Navigation ermöglichen
- Formulare so gestalten, dass Eingabefelder klar beschriftet sind
- Assistive Technologien unterstützen, damit Screenreader die Inhalte korrekt erfassen
- Barrierefreiheitserklärung bereitstellen und an gut sichtbarer Stelle (z. B. im Footer) verlinken
Erfüllt Ihre Webseite diese Anforderungen nicht, sollten Sie den Online-Terminkalender, das Kontaktformular bzw. den betroffenen Service vorübergehend von der Webseite entfernen.
Wenn Sie die Barrierefreiheit Ihrer Webseite testen möchten, können Sie das z. B. mit diesen Test-Tools. Nehmen Sie für weitere Schritte mit Ihrem Webseiten-Dienstleister Kontakt auf.
Mehr zum Thema Barrierefreiheit erfahren Sie auf diesen Seiten:
Darf eine Kündigungsschutzklage auch nach Fristablauf eingereicht werden?
Selbst wenn die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage bereits abgelaufen ist, kann diese unter bestimmten Bedingungen nachträglich zugelassen werden. Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmerin unverschuldet erst nach Ablauf der Frist von ihrer Schwangerschaft erfährt.
Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 03.04.2025 (Az.: 2 AZR 156/24) klargestellt.
So kam es zur Entscheidung
Eine Arbeitnehmerin erhielt am 14.05.2022 eine Kündigung, die das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2022 beenden sollte. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs wusste sie nichts von ihrer bestehenden Schwangerschaft.
Erst am 29.05.2022 führte sie einen positiven Schwangerschaftstest durch. Einen Termin beim Frauenarzt konnte sie – trotz sofortiger Bemühungen – erst für den 17.06.2022 vereinbaren.
Obwohl die gesetzliche Drei-Wochen-Frist für eine Kündigungsschutzklage zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war (Fristende: 07.06.2022), reichte sie am 13.06.2022 Klage ein. Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage.
Damit bekam sie vor dem BAG Recht.
Das sagt das Gericht
Die Kündigung war unwirksam, da sie gegen das Verbot des § 17 Mutterschutzgesetz (MuSchG) verstieß. Dass die Klage verspätet erhoben wurde, stand dem nicht entgegen – denn die Frau hatte erst mit der ärztlichen Untersuchung am 17.06.2022 endgültige Gewissheit über ihre bereits zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende Schwangerschaft. Der Schwangerschaftstest am 29.05.2022 sei dafür nicht ausreichend gewesen.
Die Klage sei daher nachträglich zuzulassen, da die Frau die verspätete Klageeinreichung nicht zu vertreten hatte.
Wenn Sie eine Kündigung aussprechen und nicht sicher sind, ob die betroffene Mitarbeiterin zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war, lassen Sie sich umgehend durch uns beraten. Wir prüfen für Sie, ob eine nachträgliche Klagezulassung zulässig ist.
Mehr zum Thema finden Sie in unserer Praxisinfo „Schwangerschaft, Mutterschutz und Elternzeit“. In Ihrem Mitgliederbereich können Sie Vorlagen für Kündigungsschreiben herunterladen.
Reicht ein Formular zur Impf-Aufklärung?
Ärzte sind nicht verpflichtet, vor der Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff Comirnaty ein individuelles Aufklärungsgespräch zu führen.
Vielmehr reicht es aus, wenn Ärzte ihren Patienten ein Aufklärungsformular übergeben. Grund dafür sind der Routinecharakter der Impfung und die öffentliche Empfehlung zu dieser Impfung.
Das hat das Landgericht (LG) Berlin in seinem Urteil am 10.01.2025 (Az.: 17 O 53/24) entschieden.
So kam es zur Entscheidung
Ein Mann leidet nach Comirnaty-Impfung unter Colitis Ulcerosa, einer entzündlichen Darmerkrankung.
Vor der Impfung hatte der Mann ein übliches Aufklärungsformular über die Risiken der Impfung ausgehändigt erhalten. Darauf hatte er angekreuzt, dass er keine weiteren Fragen an den Arzt habe. Ein Aufklärungsgespräch fand vor der Impfung nicht statt.
Der Mann glaubt nun, seine Darmerkrankung sei ein Impfschaden, für den der Arzt verantwortlich sei. Er verklagte u. a. den Arzt, der ihn geimpft hatte, wegen eines Aufklärungsfehlers auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld – aber ohne Erfolg.
Das sagt das Gericht
Es besteht keine Pflicht zur mündlichen Aufklärung. Die Haftungsansprüche des geimpften Mannes gegen den impfenden Arzt sind nicht begründet. Schon der Bundesgerichtshof habe in der Vergangenheit ein Aufklärungsgespräch bei empfohlenen Routineimpfungen (damals Polio-Schluckimpfung) für nicht erforderlich angesehen.
Zwar sei die Covid-19-Imfung keine Routineimpfung. Der Grund für die Impfung und der Impfstoff waren aber in der Bevölkerung allgemein bekannt. Nach den klinischen Prüfungen, die eine hohe Wirksamkeit des Impfstoffs versprachen, war die Grundstimmung im überwiegenden Teil der Bevölkerung gegenüber der Impfung positiv. Bis heute haben 76,3 % der Bevölkerung zwei Impfdosen erhalten. Der Andrang in den Impfzentren überstieg in der Anfangszeit bei weitem die Zahl der verfügbaren Impfdosen.
Die Impfung gegen Covid-19 mit mRNA-Impfstoffen war im ersten Halbjahr 2021 eine Massenimpfung von Millionen Menschen. Würde man in einer solchen Situation verlangen, dass vor jeder Impfung ein persönliches, ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch stattfindet, wäre dies logistisch kaum zu leisten gewesen und hätte die Impfkampagne erheblich verzögert.
Daher ist es ausreichend, dass nach vorheriger schriftlicher Aufklärung mit einem Merkblatt jeder zu impfenden Person die Möglichkeit gegeben wird, im mündlichen Arztgespräch vor der Impfung Nachfragen zu stellen und weitere Informationen einzuholen.
Das dem Mann übergebene Aufklärungsformular decke alle wesentlichen Themen und Risiken ab. Auch nach Befragung des Mannes konnte das Landgericht nicht erkennen, welche Informationen dem Mann denn gefehlt haben sollen, und ob dieser überhaupt Fragen dazu gehabt habe.
Im Praxisärzte-Blog erhalten Sie Tipps, wie Sie Beschwerden von Patienten nach dem Aufklärungsgespräch vermeiden.
Viele Haftungsprozesse werden mit der fehlenden oder mangelhaften Aufklärung begründet. Dokumentieren Sie daher genau und vollständig, wie, wann und worüber Sie aufgeklärt haben.
Durfte der Zulassungsausschuss die Sonderbedarfszulassung verweigern?
Bei einem Antrag eines Arztes auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung haben die Zulassungsgremien zwar einen Beurteilungsspielraum; sie müssen aber den Fall und insbesondere die tatsächliche Versorgungslage ausreichend prüfen. Dabei müssen sie den zu versorgenden Einzugsbereich der Praxis genau ermitteln. Die Zulassungsgremien müssen systematisch und strukturiert die Auslastung der fachgleichen Praxen ermitteln, deren Patientenfallzahlen analysieren und auch zwischenzeitliche, neuere Erkenntnisse berücksichtigen.
Tun sie dies nicht, wird der einen Sonderbedarf ablehnende Bescheid aufgehoben und das Gremium muss erneut entscheiden. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg am 19.02.2025 (Az.: L 7 KA 1/24) entschieden.
So kam es zur Entscheidung
Eine Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämotologie/Onkologie aus Berlin, die eine halben vertragsärztlichen Versorgungsauftrag besitzt, beantragte die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung für einen weiteren halben Versorgungsauftrag. Zur Begründung gab sie u. a. an, die Zahl onkologischer Patienten sei stark angestiegen und sie sei in der einzigen hämatologisch-onkologischen Facharztpraxis im Bezirk tätig.
In der Folgezeit ließ der Zulassungsausschuss Berlin mehrere Ärzte onkologisch zu. Mehrere Hausärzte verfügen auch über onkologische Zusatzgenehmigungen. Mit diesen Genehmigungen können sie aber nur bestimmte onkologische Leistungen erbringen.
Der Zulassungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin prüfte die Versorgungslage. Er befragte dazu die KV Berlin selbst.
In einer Stellungnahme vom 18.03.2021 kam die KV zur Einschätzung, dass ein Sonderbedarf bestehe. Die KV bezog sich u. a. auf eine Einschätzung vom 25.01.2021, die in Zusammenhang mit den Anträgen auf Versorgungsbereichswechsel abgegeben worden war. Weil ein beachtlicher Teil (nämlich 21,2 %) der Versorgung der Krebspatienten durch bei der Versorgungsbeurteilung außer Betracht bleibende hausärztliche Internisten wahrgenommen werde, gebe es auch im vorliegenden Fall einen Sonderbedarf.
Die KV wandte sich auch an den Berufsverband niedergelassener gynäkologischer Onkologen. Dieser äußerte sich aber nicht.
Auch gefragt wurde der Verein der niedergelassenen internistischen Onkologen Berlin. In einer Stellungnahme vom 26.04.2021 führte dieser u. a. aus, dass die onkologischen Schwerpunktpraxen am Limit bzw. darüber hinaus arbeiteten, und dass weitere Zulassungen nicht zur Leistungsmengenausweitung führen würden.
Der Zulassungsausschuss verneinte aber einen dauerhaften Sonderbedarf, nachdem er kürzlich bereits 5 Versorgungsbereichswechsel von der hausärztlichen in die fachärztliche Versorgung mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie genehmigt hatte. Diese Versorgungsbereichswechsel stünden für sich und gehorchten anderen Regeln als eine Sonderbedarfszulassung. Deshalb müsse der Antrag der Internistin nicht in das dortige Verfahren einbezogen werden.
Dagegen legte die Internistin Widerspruch ein. Der Berufungsausschuss befragte 60 Ärzte der Fachgruppe, von denen 34 antworteten. 23 der 34 antwortenden Ärzten bejahten einen zusätzlichen Versorgungsbedarf.
Im Ergebnis wies der Berufungsausschuss (BA) jedoch den Widerspruch zurück. Denn auch der BA konnte keinen Sonderbedarf erkennen.
Dagegen klagte die Internistin. Der BA habe die Ergebnisse der Befragung falsch gedeutet. Zudem hätte der BA das Befragungsergebnis anhand von Fallzahl- und Abrechnungsstatistiken verifizieren müssen.
Während des Verfahrens vor dem Sozialgericht stritt der beklagte Berufungsausschuss auch mit weiteren Ärzten wegen onkologischer Zulassungen. Im Verlauf dieser anderen Verfahren führte der BA umfangreiche Ermittlungen zur Versorgungslage durch (Abfrage der Terminservicestellen, der Qualitätssicherung der KV, der Abrechnungsabteilung der KV, des Hausarztverbandes etc.). Diese Stellen gaben teils umfangreiche Stellungnahmen zur Versorgungslage ab.
Das Sozialgericht Berlin gab der Klage der Internistin statt und verpflichtete den Berufungsausschuss, der Klägerin eine Sonderbedarfszulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrages zu erteilen. Und zwar mit der Maßgabe, dass nur Leistungen abrechnungsfähig sind, die im Zusammenhang mit der Behandlung hämatologischer und onkologischer Erkrankungen stehen.
Denn das Sozialgericht war der Meinung, dass der BA den Antraf auf Sonderbedarfszulassung fehlerhaft beurteilt habe, weil er keine tragfähige Bedarfsprüfung vorgenommen habe. Es fehle u. a. die Abgrenzung der relevanten Versorgungsregion ebenso wie eine Prüfung der Erreichbarkeit der Versorgungsregion durch potenzielle Patienten.
Gegen diese Entscheidung legte nun wiederum der BA Rechtsmittel ein, scheiterte aber.
Das sagt das Gericht
Die Berufung ist überwiegend als unbegründet zurückzuweisen. Das habe Sozialgericht den ablehnenden Bescheid zu Recht aufgehoben. Es hätte aber den BA nicht zur Erteilung der Sonderbedarfszulassung verpflichten dürfen, da die Zulassungsgremien einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum besäßen.
Um diesen Beurteilungsspielraum bei einer Entscheidung über einen Antrag auf Sonderbedarfszulassung nutzen zu können, müsse zuvor der Sachverhalt ausreichend ermittelt werden. Die Zulassungsgremien hätten dabei folgendermaßen vorgehen sollen:
Ausgehend vom Praxissitz, für den die Sonderbedarfszulassung beantragt wurde, hätten sie zunächst den zu versorgenden Einzugsbereich der Praxis bestimmen müssen. Dann hätten sie für diesen Bereich die tatsächliche Versorgungslage systematisch und strukturiert ermitteln müssen. Die Auslastung der im Einzugsbereich befindlichen fachgleichen Praxen hätten sie dabei insbesondere auf Grundlage einer Analyse der Patientenfallzahlen ermitteln müssen. Schließlich hätten die Zulassungsgremien die angestellten Ermittlungen fehlerfrei in ihre Entscheidung einfließen lassen müssen.
In Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ermittelte der BA hier den Sachverhalt fehlerhaft und bewertete die Lage auch falsch. Er habe insbesondere die Ergebnisse der Bedarfsermittlung in den gerichtlichen Parallelverfahren nicht beachtet.
Zum einen habe der BA den relevanten Einzugsbereich Praxis der Klägerin nicht vom Planungsbereich (ganz Berlin) abgegrenzt. Dies wäre aber nötig gewesen.
Zum anderen habe der BA die Anzahl der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie nicht genau ermittelt, obgleich er dies hätte tun können und müssen (z. B. durch Abfrage der Abrechnungsdaten bei der KV Berlin). Zudem habe der BA hier nur die Gruppe der Internisten betrachtet, obwohl es hier um den Bedarf an onkologischen/hämatologischen Leistungen ging.
Schließlich habe der BA auch die vorhandenen Ermittlungsergebnisse nicht beurteilungsfehlerfrei gewürdigt. U. a. der Verein der niedergelassenen internistischen Onkologen Berlin e.V. sowie die Hauptabteilung vertragsärztliche Versorgung der KV Berlin hatten sich zur Versorgungslage geäußert und eine Unterversorgung bejaht. Der BA habe sich aber nicht inhaltlich mit diesen Stellungnahmen auseinandergesetzt, sondern diese vielmehr ausgeklammert.
In diesem Zusammenhang weist das LSG die Vermutung des BA zurück, der Verein der niedergelassenen internistischen Onkologen Berlin sei eine letztlich parteiische Lobbyvertretung der Onkologen und Hämatologen. Äußerungen der befragten Fachgruppe hätten zudem besonderes Gewicht, wenn sie im Rahmen der durchgeführten Befragung zur Versorgungslage auf einen Versorgungsmangel deuten. Denn naturgemäß neige eine befragte Berufsgruppe eher dazu, sich zum Erhalt von Vergütungschancen gegen hinzutretende Konkurrenz abzuschotten.
Im Bereich der Hämatologie/Onkologie bestehe auch keine Gefahr einer angebotsinduzierten Erweiterung der Nachfrage nach fachärztlichen Leistungen. Denn die Nachfrage nach ambulanten hämatologisch-onkologischen Leistungen sei einzig und hart diagnosegesteuert und stehe nicht im Belieben der versicherten Patienten. Es verbiete sich daher, mit einem Antrag auf Sonderbedarfszulassung in diesem Bereich zur Begrenzung der Leistungsmenge besonders restriktiv umzugehen.
Haben auch Sie Fragen zum Sonderbedarf, dann wenden Sie sich an unsere Praxisberatung und Rechtsabteilung. Was Sie alles grundsätzlich zur Zulassung wissen müssen, finden Sie in unserer gleichnamigen Praxisinfo Nr. 2.
Welche Rolle spielt der Facharzttitel bei der Nachbesetzung?
Bei der Nachbesetzung einer Praxis in einem gesperrten Bereich muss der neue Arzt die Patienten des Praxisabgebers weiterbehandeln können. Daher muss der Nachfolger auch fachlich geeignet sein, die Patienten des Praxisgebers weiterzubehandeln und die Praxis fortzuführen.
Demnach kann eine Fachärztin für Orthopädie nicht Patienten eines abgebenden Facharztes für Chirurgie behandeln. Sie scheidet daher als Nachfolgerin aus. Dies gilt auch, wenn es um die Nachbesetzung einer MVZ-Anstellung geht.
Und der Zulassungsausschuss ist an die vorgelagerte Entscheidung, dass eine Nachbesetzung durchgeführt wird, gebunden und kann deshalb nicht das bisherige chirurgische Patientenklientel außer Acht lassen. Das hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg am 19.02.2025 (Az.: L 7 KA 23/22) entschieden.
So kam es zur Entscheidung
Eine halbe Vertragsarztzulassung in einem Berliner MVZ sollte nachbesetzt werden. Zuvor hatte ein Facharzt für Chirurgie als angestellter Arzt diesen Sitz inne. Der Sitz wurde einige Zeit nicht besetzt. Der Zulassungsausschuss entschied schließlich, dass der Sitz nachzubesetzen ist.
Auf den ausgeschriebenen Sitz bewarben sich
- eine Berufsausübungsgemeinschaft mit Sitz in einem anderen Bezirk, die den Vertragsarztsitz mit einer angestellten Fachärztin für Orthopädie fortführen wollte,
- und ein Facharzt für Chirurgie, der im Ursprungs-Bezirk mit halber Zulassung ärztlich tätig war.
Der Zulassungsausschuss übertrug den hälftigen Vertragsarztsitz gemäß § 103 Abs. 4b SGB V an die Berufsausübungsgemeinschaft zum Zwecke der Anstellung der Fachärztin für Orthopädie. Grundlage der Entscheidung war die Überlegung des Zulassungsausschusses, dass der ausgeschriebene Sitz bereits seit längerem unbesetzt sei, keine Patienten mehr vorhanden seien und daher eine Weiterversorgung der chirurgischen Patienten nicht notwendig sei.
Weiter begründete der Zulassungsausschuss die Entscheidung damit, dass der Bezirk, in dem die Fachärztin für Orthopädie tätig werden wollte, deutlich schlechter versorgt war als der Bezirk des Facharztes für Chirurgie.
Der übergangene Facharzt für Chirurgie widersprach und klagte schließlich gegen diese Entscheidung. Er unterlag beim Sozialgericht Berlin und legte dann Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein.
Seiner Ansicht nach habe der Praxissitz im Rahmen der Nachbesetzung nicht an eine Praxis in einem anderen Verwaltungsbezirk gegeben werden dürfen. Dass ein Patientenstamm vorhanden sei, folge bereits aus den Voraussetzungen eines Nachbesetzungsverfahrens.
Das sagt das Gericht
Die Entscheidung des Berufungsausschusses sei rechtswidrig. Die Sache sei zur erneuten Entscheidung zurück an den Berufungsausschuss zu verweisen. Der Berufungsausschuss habe seiner Entscheidung die falschen Kriterien zu Grunde gelegt.
Denn auch bei der Nachbesetzung eines umgewandelten Angestellten-Arztsitzes eines MVZ komme es für die Beurteilung der grundsätzlichen Befähigung der Bewerber zur Fortführung der vertragsärztlichen Versorgung auf das Praxisprofil des konkret abzugebenden Vertragsarztsitzes an. Und damit gehe es um die üblichen Auswahlkriterien wie berufliche Eignung, Approbationsalter und Dauer der ärztlichen Tätigkeit.
Die Zulassungsgremien seien im Nachbesetzungsverfahren an die vorgeschaltete Entscheidung über die Durchführung der Nachbesetzung und damit auch an die Entscheidung, dass ein fortführungsfähiges Praxissubstrat vorhanden ist, gebunden. Daher könne ein Zulassungsausschuss nicht argumentieren, es komme nicht auf die Versorgung der chirurgischen Patienten an, weil diese nicht mehr vorhanden seien.
Da es um Versorgung eben dieser chirurgisch behandelten Patienten gehe, können diese wegen der geltenden Facharztgrenzen nur von einem Facharzt für Chirurgie, nicht aber von der Fachärztin für Orthopädie behandelt werden. Sprich: Ein vormals von einem Facharzt für Chirurgie besetzter Vertragsarztsitz könne mangels chirurgischer Qualifikation nicht von einer Fachärztin für Orthopädie fortgeführt werden.
Es kann sich durchaus lohnen, die Entscheidung im Zulassungsverfahren zu hinterfragen und ggf. Rechtsmittel einzulegen, wenn Ihre Bewerbung abgelehnt wurde.
Wenn Sie sich dazu beraten lassen wollen, wenden Sie sich gerne an uns. Auch in allen anderen beruflichen Rechtsfragen stehen wir telefonisch oder per E-Mail für Sie zur Verfügung.
Alle wichtigen Informationen rund um die Zulassung, die Auswahlkriterien und das Verfahren erklären wir auf unserer Webseite unter Niederlassung und Zulassung sowie in unseren Praxisinfos für den Praxiseinstieg.
Muss ein weiterbildender Arzt ganztägig in der Praxis sein?
Ist ein zur Weiterbildung befugter Arzt nur zeitweilig (hier: 13 Stunden pro Woche) in der Weiterbildungsstätte anwesend, kann dem weiterzubildenden Arzt auch nur eine anteilige Zeit anerkannt werden. Das hat der Verwaltungsgerichtshof München am 19.03.2025 (Az.: 21 ZB 23.2357) entschieden.
So kam es zur Entscheidung
Eine Ärztin war vom 01.07.2013 bis zum 30.04.2015 ganztägig und hauptberuflich als Assistenzärztin in einem Klinikum tätig.
Ihr Weiterbilder im Klinikumhatte am 27. 06.2011 bei der Ärztekammer eine Weiterbildungsbefugnis als Weiterbilder an mehreren Weiterbildungsstätten beantragt. Er hatte dabei angegeben, wöchentlich 42 Stunden in seiner Praxis und 13 Stunden in der Kinderabteilung des Klinikums zu arbeiten. Am 13. 02.2012 erteilte ihm die Kammer eine 24-monatige Weiterbildungsbefugnis für beide Weiterbildungsstätten.
Eine Nebenbestimmung lautete, dass die Befugnis für Praxis und Klinikum gelte, jedoch sicherzustellen sei, dass die Weiterbildung von Assistenten an den beiden Weiterbildungsstätten ganztägig unter der persönlichen Anleitung des Weiterbilders erfolge. Die Kammer forderte, dass die Assistenzärzte über die festgesetzte Nebenbestimmung zu informieren seien. Mit Schreiben der Ärztekammer vom 07.10.2013 wurde der Weiterbilder unter anderem darauf hingewiesen, dass sowohl die Weiterbildung in der Praxis als auch die stationäre Weiterbildung nur unter der fachlichen Leitung eines Weiterbilders erfolgen könne, der vor Ort sei.
Der Webseite der Ärztekammer war zu entnehmen, dass die Weiterbildungsbefugnis jenes Weiterbilders nur mit Nebenbestimmung gilt. Der Wortlaut der Nebenbestimmung war im „Meine BLÄK-Portal“ für alle in Bayern gemeldeten Ärzte abrufbar.
Die Assistenzärztin beantragte am 27.11.2019 bei der Ärztekammer die Anerkennung als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Sie legte unter anderem ein Weiterbildungszeugnis ihres Weiterbilders vom 06.07.2016 für die Tätigkeit im Klinikum vor. Laut Zeugnis war sie vom 01.07.2013 bis zum 30.04.2015 unter seiner Anleitung ganztägig und hauptberuflich als Assistenzärztin in der Kinder- und Jugendabteilung des Klinikums tätig gewesen sei. Mit einem am 04.05.2020 nachgereichten Schreiben bestätigte der Weiterbilder die ausschließliche Tätigkeit der Klägerin im Klinikum.
Auf Nachfragen der Kammer erklärte der Weiterbilder, dass die Ärztin zu keiner Zeit in der Praxis tätig gewesen sei. Er selbst sei tatsächlich deutlich mehr als die in seinem Antrag angegebenen 13 Stunden im Klinikum anwesend gewesen.
Er habe täglich zwischen 8 Uhr und 11 Uhr jeden einzelnen Patienten mit seinen Assistenten erörtert. Die Praxis sei nicht weit vom Klinikum entfernt und eine Anwesenheit binnen wenigen Minuten sei möglich gewesen. Jede stationäre Neuaufnahme sei zeitnah persönlich begutachtet und mit den Assistenten besprochen worden. Es habe eine tägliche Abendvisite gegeben. In der Zwischenzeit sei er telefonisch immer erreichbar gewesen. Seit 2014 sei er zudem freitags ganztägig in der Praxis vertreten worden und nur für die Klinik dagewesen.
Entsprechende Arbeitsverträge konnte er aber nicht vorlegen. Nach einer E-Mail der Personalabteilung des Klinikums vom 18. Juni 2019 stand der Weiterbilder mit 32,5 %, also 13 Stunden wöchentlich, zur Verfügung.
Dem Antrag der Ärztin auf Anerkennung des Facharzttitels wurde nicht stattgegeben. Begründet wurde das vor allem damit, dass von den 22 im Klinikum abgeleisteten Monate nur 7,48 Monate angerechnet werden könnten, sodass für die erforderliche 60-monatige Weiterbildung 14,52 Monate fehlten. Die Anrechnung entspreche dem Anteil von 13 Stunden pro Woche, die der Weiterbilder im Rahmen seines Antrags auf Weiterbildungsbefugnis als Tätigkeit im Klinikum angegeben habe. Anderslautende Nachweise seien trotz mehrmaliger Nachfrage nicht erbracht worden.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Widerspruch der Ärztin blieb ebenso erfolglos wie ihre anschließende Klage. Die Ärztin ging deshalb in Berufung, scheiterte aber auch hier.
Das sagt das Gericht
Es war korrekt, der jungen Ärztin nur rund ein Drittel der Weiterbildungszeit anzuerkennen. Die Berufung ist unbegründet.
Nach § 5 der Muster-Weiterbildungsordnung in der ab dem Jahr 2015 geltenden Fassung muss der weiterbildende Arzt die Weiterbildung grundsätzlich ganztägig durchführen. Dies sei hier nicht geschehen, da der weiterbildende Arzt nur 13 Stunden pro Woche in dem Klinikum anwesend war. Eine telefonische Erreichbarkeit bzw. eine schnelle Herbeirufbarkeit sei nicht ausreichend.
Die Ärztin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen (also, dass sie darauf vertrauen durfte, dass ihr Weiterbilder im vollen Umfang zur Weiterbildung berechtigt war). Denn auf der Webseite der Ärztekammer war nachzulesen, dass das nicht der Fall ist. Es war ein Klammerzusatz angefügt mit „WBB gilt an beiden Standorten“. In der Spalte „Jahre der Weiterbildungsbefugnis“ war eingetragen „2 *m. NB“.
Wegen dieser Nichterfüllung der Weiterbildungspflicht könne der Ärztin im Ergebnis auch nur etwa ein Drittel ihrer Weiterbildungszeit anerkannt werden.
Achten Sie immer darauf, dass Sie die Anforderungen für die Weiterbildung erfüllen. Werden Weiterbildungszeiten nicht anerkannt, müssen Sie ggf. Fördermittel zurückzahlen. Auch können Ihnen Schadensersatzansprüche des Arztes in Weiterbildung drohen.
Als Weiterzubildender vergewissern Sie sich, dass der Weiterbilder
- zur angebotenen Weiterbildung berechtigt ist
- im vollen zeitlichen Umfang in der Praxis ist
- Sie ordnungsgemäß weiterbildet
Weitere wichtige Hinweise rund um die Facharztweiterbildung und die Weiterbildungsbefugnis finden Sie auf unserer Seite zur Facharztausbildung.
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