Mitarbeiterin stellt sich tot? Das können Sie als Chefin oder Chef tun

Eine Mitarbeiterin ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und nicht erreichbar? Das so genannte „Ghosting“, das in der Anbahnung romantischer Beziehungen häufiger passiert, gibt es mittlerweile auch im Arbeitsverhältnis. Diese Möglichkeiten haben Sie als Chef.

 

Der Fall: Ein Praxisinhaber hat eine Assistentin, die nach dem Praxis-Urlaub zunächst mit ärztlichem Attest 2 Wochen nicht zu Arbeit kommt. Danach fehlt sie unentschuldigt und ohne jede Krankmeldung. Sie geht nicht ans Telefon und beantwortet weder E-Mail noch SMS noch sonstige Nachrichten.

In der Sozialpsychologie spricht man von „Ghosting“, wenn zwischenmenschlicher Kontakt mit Absicht und ohne Vorwarnung und Kommunikation abgebrochen wird. Allerdings muss es sich nicht zwangsläufig um Ghosting handeln – auch andere Erklärungen kommen in Frage.

Schwierig an der Situation ist nicht nur, dass ihre Arbeit nicht erledigt wird, sondern vor allem die Ungewissheit: Was ist passiert, und wie sollten Sie reagieren – im Sinne Ihrer Praxis, Ihres Gewissens, aber auch Ihrer Mitarbeiterin?

 

Unentschuldigtes, längeres Fehlen: die Rechtslage

In Bezug auf das Arbeitsverhältnis ist klar: Hier liegt eine Vertragsverletzung vor.

Klassischerweise ist das unangekündigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz zunächst ein Grund zur Abmahnung (siehe auch Praxisinfo „Abmahnung“). Ändert der oder die Angestellte nach einer Abmahnung das Verhalten nicht, droht die Kündigung. Dazu kommt es natürlich nur, wenn der Angestellte dann wieder auftaucht.

In einem Fall wie oben beschrieben, stehen Ihnen sogar einschneidendere Maßnahmen zur Verfügung. Diese werden im nächsten Abschnitt erklärt.

 

Das können Sie bei Funkstille tun

Sind Mitarbeitende über Tage unentschuldigt nicht erreichbar, gibt es leider keinen pauschalen Rat, was zu tun ist. Eher sind Fingerspitzengefühl und eine wohlüberlegte Einschätzung der Situation notwendig. Denn ob Grund zur Sorge besteht und was entsprechend zu tun ist, hängt sehr vom Einzelfall ab. Erkunden Sie zunächst:

Was wissen Sie über Ihre Mitarbeiterin? Was können Sie herausfinden, etwa durch das Team?

  • Wie sind die persönlichen Umstände der Mitarbeiterin?
  • Lebt sie allein? Welche engeren Kontakte hat sie, und sind diese in räumlicher Nähe?
  • Trägt die Mitarbeiterin privat Verantwortung für andere Menschen oder auch Tiere?
  • Neigt sie zu Unzuverlässigkeit oder Unverbindlichkeit?
  • Zeigt sie Leistungsbereitschaft, Motivation und Verantwortungsbewusstsein?
  • Hat sie bestimmte Krankheiten oder Einschränkungen, körperlich oder psychisch?
  • Hat sie Neigungen zu selbstzerstörerischem Verhalten oder gar Suizidalität?
  • Hatte die Mitarbeiterin Urlaube oder Ähnliches geplant?
  • Hatte sie vor zu kündigen oder sich beruflich umzuorientieren?
  • Wie war das Verhältnis zwischen ihr und Ihnen zuletzt?
  • Gab es Spannungen zwischen ihr und Personen aus dem Team?
  • War sie generell zufrieden am Arbeitsplatz?

Diese Fragen einzeln durchzugehen, kann Ihnen helfen, die Situation besser einzuschätzen: Hat die Mitarbeiterin vermutlich schlicht keine Lust mehr zur Arbeit zu kommen? Oder steckt womöglich ein Verbrechen oder ein medizinischer Notfall hinter ihrem Verschwinden?

Aus Ihrer Einschätzung ergeben sich dann die nächsten Schritte – sei es, persönlich zur Wohnung der Mitarbeiterin zu gehen, ihr soziales Umfeld oder Stellen wie Polizei und Krankenhaus zu kontaktieren oder gar eine Kündigung auszustellen.

 

Fristlose Kündigung, wenn Mitarbeitende nicht zur Arbeit erscheinen

Denn: Taucht die Mitarbeiterin – wie oben beschrieben – überhaupt nicht mehr auf und ist auf keinem Weg zu erreichen, obwohl sie dazu in der Lage wäre, ist das tatsächlich Grund für eine fristlose Kündigung.

Hier können Ihnen unsere Praxisinfo „Kündigung“ und unsere Mustertexte zur Kündigung weiterhelfen. Als Mitglied im Virchowbund können Sie diese herunterladen und Rechtsberatung einholen.

Stellen Sie die Kündigung entweder per Post oder am besten persönlich am Wohnort der Mitarbeiterin zu. So können Sie sich vielleicht vor Ort noch ein Bild der Lage machen, haben die Chance, die Mitarbeiterin doch noch anzutreffen – oder sind zumindest sicher, dass die Kündigung im Briefkasten gelandet ist.

Sollte sich später herausstellen, die Mitarbeiterin war nicht in der Lage auf Ihre Kontaktaufnahme zu reagieren (wegen schwerer Krankheit, Koma o. Ä.), können Sie die Kündigung immer noch zurücknehmen.

Um künftiges, unangekündigte Fernbleiben oder Unerreichbarkeit zu verhindern oder zu ahnden, können Sie Regeln und Strafen in die Arbeitsverträge aufnehmen. Hierzu stehen Ihnen als Mitglied unsere Rechtsberatung und unsere Muster-Arbeitsverträge zur Verfügung.

Für bestehende Arbeitsverträge können Sie unseren Muster-Änderungsvertrag nutzen. Als Mitglied können Sie auch in diesem Fall unsere individuelle Rechtsberatung kontaktieren.

Kommunizieren Sie klar die Regeln für den Fall, dass ein Teammitglied krank wird und deshalb nicht zur Arbeit erscheinen kann. Wie soll dies mitgeteilt werden?

Auch wenn es im Arbeitsvertrag steht: Erinnern Sie im Zweifel Ihre Angestellten daran, wann und auf welchem Wege sie Sie über einen Ausfall wegen Krankheit informieren müssen, und wann sie eine ärztliche Krankschreibung vorlegen müssen.

Bedenken Sie dies vor allem bei neuen Mitarbeitenden.

Wenn Mitarbeitende „ghosten“, liegen die Gründe häufig am Arbeitsplatz: Überlastung, schlechte Arbeitsbedingungen oder schlechtes Führungsverhalten können dahinterstecken.

Auch wenn der Arbeitsalltag stressig ist und alle im Team viel zu tun haben: Sorgen Sie für optimale Arbeitsbedingungen.

Ein Schlüsselinstrument, um eine gute Verbindung zu Ihrem Team zu pflegen und über dessen Befindlichkeit im Bilde zu sein, ist das Mitarbeitergespräch. Dieses sollten Sie mit jedem Teammitglied regelmäßig führen. Es enthält unter anderem detailliertes Feedback zu Leistung und Verhalten. Wie Sie es führen, was das Ziel ist und wie Sie es aufbauen können, können Sie als Virchowbund-Mitglied auch in unserer Praxisinfo „Mitarbeitergespräch“ nachlesen.

Das A und O einer angenehmen Arbeitsatmosphäre ist eine gute, konstruktive, klare, wertschätzende Kommunikation. Hier sollten Sie mit positivem Beispiel vorangehen, denn Ihre Kommunikationsweise kann sich auch unbewusst schnell auf Ihr Team übertragen.

Pflegen Sie zum Beispiel für eine „offene Tür“ für Rückmeldungen, Probleme und Wünsche und lassen Sie Ihr Team dies explizit wissen. Im arbeitsreichen Alltag funktioniert das am besten, indem Sie feste Zeiten für die offene Tür festlegen.

Essentiell ist eine gute Feedbackkultur.

Wie Sie Konflikte lösen und Streit im Team vermeiden, erfahren Sie hier.

Für konkrete Fragen zur Praxisführung, wie Sie Arbeitsbedingungen in Ihrer Praxis verbessern können, nutzen Sie auch unsere Praxisberatung.

Auch wenn dauerhaftes, unentschuldigtes Fernbleiben ein Grund zur fristlosen Kündigung ist, ist jeder Fall anders und verdient eine individuelle, wohlüberlegte Reaktion. Ich berate Sie gerne.

Andrea Schannath
Rechtsberatung

Bewerber meldet sich nicht mehr: So reduzieren Sie das Risiko

Sie möchten jemand Neuen einstellen? Der Großteil des Sich-Totstellens in der Arbeitswelt findet im Bewerbungsprozess statt. Überaus häufig passiert es, dass Bewerberinnen und Bewerber entweder vor oder nach einem Vorstellungsgespräch plötzlich nicht mehr erreichbar sind oder gar am ersten Arbeitstag nicht erscheinen.

Laut einer Studie von Indeed 2019 haben ganze 83 Prozent der 900 befragten Arbeitgeber schon Ghosting von Bewerbern und Bewerberinnen und (seltener) Mitarbeitenden erlebt.

Auch 4.000 Bewerberinnen und Bewerber wurden zu eigenem Ghosting-Verhalten befragt. Ihre am häufigsten genannten Gründe für das Sich-Totstellen sind, dass der Bewerbungsprozess zu langsam ist oder zu lange dauert, und dass er nicht transparent genug ist.

In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels haben Bewerberinnen und Bewerber jeden Alters womöglich mehrere Angebote und sind im Zweifelsfall nicht bereit, länger auf ein Zeichen ihrer potentiellen Arbeitgeber zu warten.

Sorgen Sie deshalb in jedem Fall für einen zügigen Ablauf beim Bewerbungsprozess in Ihrer Praxis. Zeigen Sie sich verbindlich, halten Sie Kontakt zu Bewerberin oder Bewerber. Und am wichtigsten: Informieren Sie so konkret und verbindlich wie möglich, wie der Prozess bei Ihnen abläuft. Nennen Sie Daten und Fristen, wer sich wann und wie und mit welcher Information meldet.

Bedenken Sie ggf. auch, dass Ihr Bewerber einen anderen kulturellen und sprachlichen Hintergrund haben und deshalb evtl. andere Abläufe und Gepflogenheiten gewohnt sein könnte.

Tipp

Sie haben sich für eine neue Mitarbeiterin oder einen neuen Mitarbeiter entschieden? Gestalten Sie ihm oder ihr den Einstieg bei Ihnen möglichst einfach. Denn ein schlechter Anfang kann lange nachwirken und für Mitarbeitende ist Unzufriedenheit am Arbeitsplatz der Hauptgrund dafür, plötzlich nicht mehr erreichbar zu sein.

In „MFA einarbeiten: 3 Tipps für einen besseren Start“ geben wir Tipps, wie ein guter Einstieg gelingt.

Dass Mitarbeitende sich plötzlich totstellen, kommt eher selten vor. Aber wenn es passiert, kann eine fristlose Kündigung angebracht sein. Betrachten Sie jedoch stets sorgfältig den Einzelfall. Vorbeugend können Sie die Thematik im Arbeitsvertrag regeln.
In Bewerbungsprozessen ist „Ghosting“ sehr viel häufiger. Das Risiko können Sie durch ein gutes Management und klare, verbindliche Kommunikation reduzieren.

Eine gute Arbeitsatmosphäre kann große Arbeitsbelastung sowie kleinere und größere Probleme abfedern. Zu einer guten Atmosphäre am Arbeitsplatz können Sie als Chefin oder Chef einen großen Beitrag leisten. Unter Teamführung geben wir einen Überblick, was dazugehört.

 

Konkreteren Einblick gibt unsere Seite zu Mitarbeiterführung, eine Übersicht um alles, was Mitarbeitende im Praxisteam betrifft, finden Sie unter Personal. Als Mitglied im Virchowbund stehen Ihnen außerdem eine persönliche Praxisberatung und Rechtsberatung zur Verfügung. Hier finden Sie einen Überblick über sämtliche Vorteile der Mitgliedschaft

 

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