Klimawandel: Was Praxisärzte jetzt tun können

Der Klimawandel wird zur größten Bedrohung der weltweiten Gesundheit. Dieser Meinung ist nicht nur die Expertenkommission der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“, sondern auch die World Medical Association (WMA). Die gute Nachricht: Praxisärzte können viel dagegen tun.

 

Schon jetzt sind die Auswirkungen des Klimawandel durch Folgeerscheinungen wie Hitzewellen und zunehmende Luftverschmutzung deutlich in den Praxen und Krankenhäusern zu spüren. Allergien und Infektionskrankheiten breiten sich aus. Myokardinfarkte nehmen bei Menschen mit Diabetes mellitus und Hyperlipidämie bei Hitze zu. Nicht zu vergessen die psychischen Auswirkungen durch Katastrophen, Stress und Migration, die zu weiteren Gesundheitsproblemen führen.

Wer mehr darüber erfahren möchte, wird in der Studie „Gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels“ der Brendan-Schmittmann-Stiftung fündig (kontaktieren Sie uns für die Studie).

Fakt ist: Das Gesundheitswesen trägt zum Klimawandel bei. In Deutschland stammen 5,2 % aller emittierten Treibhausgase aus dem Gesundheitswesen – das entspricht 54 Millionen Tonnen CO2. Zum Vergleich: Passagierflugzeuge verursachten 2017 „nur“ 31,2 Millionen Tonnen CO2.

„Auch Praxisärztinnen und Praxisärzte können und müssen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten“, ist der Virchowbund überzeugt. Das bedeutet einerseits, Ressourcen zu schonen und mitzuhelfen, die Erderwärmung einzudämmen (Mitigation). Andererseits müssen sich Abläufe und Infrastruktur auch an die bereits merklichen Veränderungen anpassen (Adaptation).

Ein Beispiel der Adaptation: Ärzte sollten Medikamentenpläne bezüglich möglicher Auswirkungen einer Hitzewelle prüfen.

  • Diuretika und ACE-Hemmer können den Hydratationszustand und den Elektrolythaushalt beeinflussen.
  • Statine, Fibrate und Lithium verändern ihre Wirkung durch Dehydrierung
  • Blutdrucksenker verstärken die Hitzebelastung
  • Betablocker und manche Antidepressiva wirken sich auf den Wärmehaushalt aus

Im Bereich Mitigation ist der britische National Health Service (NHS) Vorreiter. Er hat es geschafft, den CO2-Ausstoß im Gesundheitswesen um 26 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Schon 2030 sollen britische Allgemeinarztpraxen CO2-neutral arbeiten. Bis 2040 will der NHS vollständig emissionsfrei werden.

 

Möglichkeiten für Klimaschutz in der Arztpraxis

Was können Ärzte und Praxen, die das Klima schützen wollen, konkret tun? Viel. Spannend dabei ist, dass manchmal schon kleine Maßnahmen mit wenig Aufwand viel Wirkung entfalten können. Hier einige Tipps zum Klimaschutz in der Arztpraxis:


1. Energie und Wärme

Strom, Gas, Kühlung und Wärme machen geschätzt 40 % der CO2-Emissionen im Gesundheitswesen aus. Energiesparende Lampen und Geräte, programmierbare Thermostate, Verhaltensänderungen und eine um 1 ° kühlere Raumtemperatur im Winter können davon 20-30 % einsparen.

Auch Perlatoren in Wasserhähnen sind eine schnelle und einfache Maßnahme mit hoher Wirkung. Sie reduzieren den Wasser- und Energieverbrauch z. B. beim Händewaschen deutlich.

 

2. Abfall

Einweg-Materialen z. B. im OP-Bereich sind im Trend und oft auch günstiger als die Wiederaufbereitung. Sie verursachen aber Unmengen an Abfall. Das häufigste Einwegprodukt sind übrigens Nierenschalen.

Abfallvermeidung heißt auch, auf minimale bzw. umweltfreundliche Verpackung (z. B. Stroh statt Styropor) zu achten und (wo möglich) zu recycelten bzw. recycelbaren und langlebigen Produkten zu greifen. Verbände und Einkaufsgemeinschaften können Druck auf die Hersteller aufbauen, umweltfreundlicher zu produzieren und zu verpacken.

 

3. Arzneimittel

Der Umstieg auf CO2-arme Pulverinhalatoren bei Asthmapatienten ist eine kleine Maßnahme mit großer Wirkung. Im OP-Bereich ist Sevofluran eine CO2-ärmere Alternative zu herkömmlichen Anästhetika.

Für Patient und Umwelt kann es sich auch lohnen, den Medikamentenplan regelmäßig „auszumisten“. So werden auf längere Sicht Ressourcen in der Medikamentenproduktion gespart – vom Abfall ganz zu schweigen.

 

4. Fahrrad statt Praxis-PKW

eBikes und Pedelecs sind bei Entfernungen bis zu 10 km das schnellste Fortbewegungsmittel im Stadtverkehr. Der BUND Bremen hat eBikes im ambulanten Pflegedienst getestet, und auch in Baden-Württemberg gibt es ein Modellprojekt in der HzV. Das Fazit der Tester: positiv. Für Arbeitgeber gibt es außerdem Steuervorteile, wenn sie Fahrräder oder den ÖPNV bezuschussen.

 

5. Telemedizin

Klimafreundliche Praxen nehmen auch die Patienten in den Blick. Denn viele von ihnen fahren mit dem Auto bzw. Taxi in die Praxis. Eine Alternative: Telemedizin. Schon bei kurzen Distanzen ist ihre Klimabilanz deutlich besser als die einer Autofahrt in die Praxis – geschätzt um den Faktor 40 bis 70. Gerade bei Wiederholungsrezepten lassen sich auch durch besseres Terminmanagement Patientenwege sparen.

 

6. Klimasprechstunde

In einer speziellen Klimasprechstunde können Patienten einerseits für die medizinischen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre eigene Gesundheit sensibilisiert werden. Andererseits können Vorsichtsmaßnahmen, z. B. bei Hitzewellen, besprochen werden. Beratungen zu Ernährung und Mobilität bzw. generellem Lebensstil schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe.

 

7. Praxisfinanzen

Noch immer investieren viele Banken und ärztliche Versorgungswerke in klimaschädliche Unternehmen und Projekte. Wer zu „grünen“ Banken wechselt, entzieht solchen Investitionen den Boden. Gleichzeitig muss die Ärzteschaft auch offiziell stärker auf grüne Investmentstrategien drängen, damit sich etwas ändert.

 

Klimaschutz in der Praxis ist Teamsache. Arbeitgeber können das Engagement zum Klimaschutz mit einer Prämie stärken, wenn bestimmte Einsparungen erreicht werden – oder für besonders gute Ideen für weitere Maßnahmen.

Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, einen Klimabeauftragten in der Praxis zu benennen, der die Verantwortung für die Umsetzung der Maßnahmen übernimmt. Durch diese Verbindlichkeit steigen die Einsparungen messbar.

Klimaschutz verursacht gerade am Anfang häufig Aufwand: vor allem Arbeitszeit und Anschaffungskosten z. B. für neue Geräte. Die gute Nachricht: Vieles davon kann sich kurz- bis mittelfristig refinanzieren – z. B. durch niedrigere Kosten beim Strom- und Wasserverbrauch. Bund, Länder, Kommunen und private Stiftungen bieten Förderungen für Klimaprojekte an.

Viele konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz finden Sie in unserer Checkliste „Nachhaltige Praxis“. Loggen Sie sich ein, um die Checkliste herunterzuladen.

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Weitere Tipps zum Klimaschutz in der Praxis bietet die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG).

 

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