Dürfen Ärzte Schadensersatz für ausgefallene Termine verlangen?

Wenn Patienten nicht zum vereinbarten Termin auftauchen, ist das nicht nur ärgerlich – es kann für die Praxis auch einen Honorarverlust bedeuten. Sind Ausfallhonorare die Lösung für niedergelassene Ärzte?

 

Das Thema Arzttermine treibt die Emotionen hoch. Patienten beschweren sich, dass sie angeblich zu lange auf Termine bei Fach- und Hausärzten warten müssen und dass sie selbst mit Termin 30 Minuten und mehr im Wartezimmer sitzen. Ärzte berichten, dassimmer mehr Patienten Termine schwänzen und dadurch wichtige Ressourcen blockieren. Können niedergelassene Ärzte selbst aktiv werden und Ausfallhonorare verlangen?

Um das zu beantworten, müssen wir uns zuerst die Grundlagen ansehen. Zwischen Ihnen als Arzt und dem Patienten wird ein sogenannter Dienstvertrag geschlossen. Dabei schulden Sie aufgrund des Behandlungsvertrages die ärztliche Behandlung. 

Tipp: Ein schriftlicher Behandlungsvertrag ist vor allem bei Selbstzahlerleistungen sinnvoll. Einen Mustervertrag können Sie als Mitglied kostenlos herunterladen.

 

Wenn der Behandlungsvertrag nicht zustande kommt, weil entweder der Patient oder der Arzt den Behandlungstermin nicht einhält, gibt es unterschiedliche Konsequenzen.

 

Fall 1: Patient erscheint nicht

Patienten können den Dienstvertrag mit dem Arzt jederzeit kündigen. Viele Gerichte bewerten es auch als Kündigung, wenn der Patient zum vereinbarten Termin einfach nicht erscheint. Mit diesem Argument hat zum Beispiel das Amtsgericht Bremen in einem beispielhaften Prozess ein Ausfallhonorar abgelehnt.

 Mit Ausfallhonoraren bewegen Sie sich rechtlich also auf dünnem Eis. Gute Chancen haben Sie nur, wenn Sie eine Bestellpraxis führen.

 Eine Bestellpraxis haben Sie, wenn Sie mit längeren Terminvorläufen arbeiten und nachweislich nur je einen Patienten zu einer länger andauernden Behandlung mit individuell festgelegter Behandlungszeit einbestellen. Sie dürfen zumindest potenziell im vereinbarten Zeitraum keinen anderen Patienten behandelt haben können. 

Zur rechtlichen Absicherung müssen Sie mit dem Patienten eine schriftliche Vereinbarung treffen, die Sie beide unterschreiben. Darin müssen Sie den Patienten ausdrücklich darauf hinweisen, dass

  • der vereinbarte Termin ausschließlich für ihn freigehalten wird und keine anderen Patienten in dieser Zeit behandelt werden
  • der vereinbarte Termin nur bis 24 Stunden vorher durch Telefon, Fax oder E-Mail abgesagt werden kann, damit kein Ausfallhonorar entsteht (bei Terminen am Montag und nach Feiertagen oder bei Praxisbesonderheiten sollten Sie längere Absagefrist vereinbaren)
  • bei verspäteter Absage ein Ausfallhonorar in Höhe von … fällig wird
  • die Krankenkasse die Kosten des Ausfallhonorars nicht erstattet
  • der Patient allein zur Zahlung des Ausfallhonorars verantwortlich ist
     

Wenn der Patient dennoch nicht erscheint und auch nicht mindestens 24 Stunden vorher absagt, ist er in Annahmevollzug und schuldet Ihnen ein Ausfallhonorar. Sie wiederum sind verpflichtet, den entstandenen Schaden gering zu halten. Wenn Sie zum Beispiel in dieser Zeit Verwaltungsaufgaben erledigen können, müssen Sie das Ausfallhonorar entsprechend kürzen.

Die Höhe des Ausfallhonorars orientiert sich nach dem tatsächlich entstandenen Verdienstausfall des Arztes. Der Arzt kann also eine Vergütung für diejenigen Leistungen berechnen, die er voraussichtlich erbracht hätte. Ersparte Aufwendungen müssen abgezogen werden. Die Berechnung des Ausfallhonorars erfolgt bei gesetzlich versicherten Patienten auf Basis des EBM, bei Privatpatienten auf der Basis der GOÄ. Es kann auch eine Pauschale als Ausfallhonorar vereinbart werden, die aber nicht unverhältnismäßig sein darf.

 

Fall 2: Patient erscheint, aber Behandlung verzögert sich

Angenommen, der vereinbarte Termin verzögert sich, weil der Patient zwar im Wartezimmer sitzt, Sie aber zuvor noch andere Patienten sehen müssen. Nun geraten Sie in Verzug: Denn Sie schulden dem Patienten die Leistung, erbringen Sie aber (noch) nicht. Aus rechtlicher Sicht werden Sie damit grundsätzlich schadensersatzpflichtig.

Dauert die Verzögerung weniger als 30 Minuten, müssen Sie in der Regel auch nicht zahlen – diese Verzögerung liegt in Arztpraxen im Rahmen. Ist die Verzögerung nicht Ihre Schuld, müssen Sie auch keinen Schadensersatz leisten. Wenn eine Notfallbehandlung, eine Komplikation oder ein anderer, nicht vorhersehbarer Grund die Behandlung verzögert, haben Patienten keinen Anspruch auf Entschädigung.

Entsteht die Verzögerung aber durch mangelhafte Praxisorganisation, ist das ein „Organisationsverschulden“ und durchaus schadensersatzpflichtig. Fällt die Behandlung ganz aus, müssen Sie im schlimmsten Fall sogar die Fahrtkosten ersetzen. Daher sollten Sie Ihre Praxis so organisieren, dass Patienten bei längeren Wartezeiten auf Verzögerungen aufmerksam gemacht werden.

 

Haben Sie noch Fragen zu Arztterminen und Ausfallhonoraren, die wir hier nicht beantwortet haben? Hinterlassen Sie uns einen Kommentar. 

 

Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, berät Mitglieder kostenlos zu rechtlichen Fragen rund um das Praxismanagement. Im Praxisärzte-Blog gibt sie wertvolle Tipps für niedergelassene Ärzte. Möchten Sie mehr davon?  Werden Sie Mitglied im Verband der niedergelassenen Ärzte – hier sehen Sie alle Vorteile für Ihre Praxis.

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Kommentare

Guten Tag Herr Neininger,

was Ihnen passiert ist, ist natürlich sehr ärgerlich. Allerdings können wir leider nur Mitglieder des Virchowbundes beraten. Für Sie wäre vielleicht eine Patientenberatung die richtige Adresse.

Freundliche Grüße

Sehr geehrte Frau Schannath, hier einmal von der anderen Seite: ich bin heute 3 Stunden pro weg zu einer Klinik gefahren, wo ich einen Termin hatte. Dazu habe ich mir einen Tag Urlaub genommen. Dort angekommen sagte man mir, der Termin wurde versehentlich gelöscht. Ich wurde ohne einen Arzt zu sehen wieder nach Hause geschickt. Mit einem neuen Termin in einem Monat. Was kann ich hier geltend machen?

Guten Tag Herr Bahnemann,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Frau Schannath wird sich in Kürze bei Ihnen melden.

Sehr geehrte Frau Schannath,

Vielen Dank für Ihre Hinweise. Ich arbeite ärztlich psychotherapeutisch in einer Bestellpraxis. Ein Ausfallhonorar wurde schriftlich vereinbart. Ein inzwischen nicht mehr von mir behandelter Pat. erschien mit der Begründung, akut an einer Corona-Infektion erkrankt zu sein, nicht zum vereinbarten Termin und sagte erst wenige Stunden vorher ab. Nach der rechtlichen Auffassung eines ihm bekannten Anwalts könne keine Ausfallhonorar erhoben werden, wenn der Termin durch akute Erkrankung nicht eingehalten werden könne. In unserer Honorarausfallvereinbarung wird allerdings auch dieser Ausfallgrund mit aufgeführt. Wie bewerten Sie diese Konstellation und was würden Sie in dieser Situation raten?

Vielen Dank für Ihre Antwort und mit freundlichem Gruß,

Markus Bahnemann

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