Regress: Selten bedrohlich, aber lästig

Einzelfallprüfungen bei Arzneimitteln nehmen zu. Folgt daraus ein Regress, ist die Regresssumme zwar meist gering. Aber die verschwendete Zeit, Regressforderungen mit Begründungen und Dokumentationsnachweisen zu entkräften, ist ärgerlich.

 

Regresse können Ärzte auf 2 Arten treffen: für ärztliche Leistungen oder für Verordnungen. Gerade die Arzneimittelregresse sind gefürchtet. Allerdings ist die „gefühlte Bedrohung“ viel höher als die tatsächliche Zahl der verhängten Regresse.

Eine Umfrage der Ärzte Zeitung zeigte z. B., dass 2018 deutschlandweit weniger als 100 Regresse verhängt wurden. Die Chance, als Arzt von einem Regress betroffen zu sein, betrug gerade einmal 0,065 %.

Auslöser für diese Regresse war die statistische Auffälligkeitsprüfung der KVen. Die statistischen Prüfungen der KVen erklären wir auf unserer Themenseite Regress. Solche Auffälligkeitsprüfungen spielen allerdings kaum noch eine Rolle. Zudem führen Verstöße zuerst zu einer Beratung und werden erst im Wiederholungsfall bestraft.

 

Einzelfallprüfungen werden häufiger

Daneben gibt es noch die Option der Einzelfallprüfung. Sie wird nicht automatisch durchgeführt, sondern eine Kasse muss dafür einen Antrag stellen. Ein Gremium prüft dann nur die konkreten Verordnungen für einen einzelnen Versicherten.

Solche Einzelfallprüfungen werden in den letzten Monaten verstärkt durchgeführt. Immer wieder fallen Krankenkassen mit systematischen Einzelfallprüfungen auf, zuletzt die VIACTIV im Zusammenhang mit Spezifischer Immuntherapie (SIT) von Allergiepatienten.

Bei der Einzelfallprüfung gilt eine Bagatellgrenze. Je nach KV liegt sie zwischen 30 und 60 Euro pro Arzt und Quartal. Ist der Schaden geringer, passiert auch bei festgestellter Unwirtschaftlichkeit nichts.

Liegt die Forderung über der Bagatellgrenze, wird man als Arzt darüber informiert, dass ein Prüfverfahren der KV eingeleitet wurde. Geprüft wird:

  • Einhaltung der Arzneimittelrichtlinie und gesetzlicher Rahmenbedingungen
  • Indikation
  • Verordnungsmenge
  • korrekte Kodierung der zulassungskonformen Diagnose(n) und anderer erstattungsrelevanter Bedingungen

Nun hat man als Arzt die Gelegenheit, eine Stellungnahme abzugeben, weshalb die in Frage gestellte Verordnung aus medizinischer Sicht wirtschaftlich war. Die Dokumentation in der Patientenkartei kann dabei weiterhelfen.

Nun heißt es warten auf den Prüfbescheid. Im besten Fall ergibt er, dass keine Maßnahme nötig ist. Möglicherweise ordnet das Gremium aber auch eine Beratung an, um wiederholte unwirtschaftliche Verordnung zu verhindern.

Im schlimmsten Fall wird ein Regress verhängt. Bei der Einzelfallprüfung bleiben die Regresssummen meist im niedrigen 3-stelligen Bereich bzw. knapp über der Bagatellgrenze. Ärgerlich ist dann weniger der finanzielle Schaden, sondern die verschwendete Arbeits- und Lebenszeit durch den zusätzlichen Aufwand.

Einzelfallprüfungen machen auch eine Ausnahme von der Regel, dass vor dem Regress eine Beratung stattfinden muss. Mehr zu dieser Regel unter Was ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung.

 

Auslöser für Einzelfallprüfungen kennen

Wer die häufigsten Auslöser für Einzelfallprüfungen kennt, kann sie wirksam vermeiden. Viele KVen und auch z. B. die AOK informieren über die „Hitliste“ der Prüfgegenstände.

Verstöße gegen Arzneimittel-Richtlinien sind der häufigste Auslöser einer Einzelfallprüfung. Andere Gründe sind z. B.:

  • Verordnung im „Off-Label-Use“
  • Verordnung unwirtschaftlicher Mengen (auch Sprechstundenbedarf; z. B. Fentanyl-Pflaster, Benzodiazepin, Pregabalin)
  • Verordnung sogenannter fiktiv zugelassener Arzneimittel (Contractubex®, Alvalin® Tropfen, Tenuate® retard)
  • Unwirtschaftlicher Bezugsweg (Sprechstundenbedarf)
  • Blankorezepte

Zu Verstößen gegen die Arzneimittel-Richtlinien führen u. a. folgende Fehler:

  • Verordnung zu großer Mengen
  • Ungeprüfte Unterschrift von Rezepten, die von Mitarbeitern vorbereitet wurden
  • Verordnung von oralen Kontrazeptiva bei Patientinnen ab dem 22. Lebensjahr
  • Verordnung von Hypnotika über mehr als 4 Wochen
  • Verordnung von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten (z. B. bei Bagatellerkrankungen, nach dem 12. Geburtstag)
  • einige Fixkombinationen (z. B. Analgetika oder Hämorrhoidenmittel in Kombination mit anderen Wirkstoffen, Migränemittel-Kombinationen)
  • Verordnung, für die eine nicht verschreibungspflichtige Alternative existiert (z. B. Desloratadin statt Loratadin)
  • generell von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossene Medikamente (z. B. Glitazone)
  • Lifestyle-Medikamente

 

Ein häufiger Grund für eine Einzelfallprüfung ist auch die Verordnung eines Arzneimittels über den Sprechstundenbedarf und nicht auf den Namen des jeweiligen Patienten. Hier erfahren Sie mehr zur Unterscheidung zwischen Praxisbedarf und Sprechstundenbedarf.

 

Achtung vor Off-Label-Use

Prüfungen wegen Off-Label-Use nehmen stark zu. Der Grund dafür ist, dass die Pharmazentralnummer (PZN) des Arzneimittels und die dokumentierte Behandlungsdiagnose mittlerweile automatisch abgeglichen werden. Sobald eine gesicherte Diagnose fehlt, werten Kassen das als Off-Label-Use. Unbeabsichtigter Off-label-Use kann auch durch Abweichung bei der zugelassenen Dosierung und Anwendungsdauer auftreten. Betroffen sind u. a. Analgetika, Opioide, Pyrazolone, Co-Analgetika und Cannabinoide.

Tipp: Anhand Ihrer Dokumentation in der Patientenakte können Sie die Indikation und Morbidität nachweisen, auch wenn die gesicherte Diagnose fehlt. In den meisten Fällen kann dadurch der Regress abgewendet werden.

 

Regress-Auslöser

Prävention / Gegenmaßnahme

Off-Label-Use

Indikation (gesicherte Diagnose), Dauer und Menge immer prüfen und dokumentieren

Verordnungsausschluss

automatisierte PVS-Warnung

Sprechstundenbedarf

Bezugsweg prüfen / namentliche Verordnung

Entlassmedikation

Indikation, Dauer und Menge prüfen; nicht auf Krankenhaus-Angaben verlassen

Verordnung während stationärem Aufenthalt

Bei Folgerezept: Erklärung, dass der stationäre Aufenthalt nicht bekannt war

Im Pflegeheim: Patient immer persönlich sehen

Verordnung an Verstorbene

Patient immer persönlich sehen

Blankorezept

Nicht ausstellen

Gefälligkeitsverordnung

Nicht ausstellen

 

Tipp aus unserer Rechtsberatung

Der einfachste und effektivste Weg, Einzelfallprüfungen zu umgehen, ist es, ausnahmslos jedes Rezept vor Unterschrift zu prüfen, u. a. auf die verschriebene Menge. Stellen Sie Ihr PVS so ein, dass Ihnen Verordnungsausschlüsse direkt angezeigt werden.

Generell kann auch eine Regressversicherung die Bedrohung weiter klein halten. Prüfen Sie dazu jedoch genau, ob auch Einzelfallprüfungen und Regresse in kleinerem Umfang gedeckt sind. Eine günstige Regressversicherung bietet z. B. unser Partner, Ecclesia Med.

Weitere Tipps lesen Sie auf der Themenseite Regress und in der Praxisinfo „Wirtschaftlichkeitsprüfung, Plausibilitätsprüfung & Co.“.

Falls auch Ihnen eine Einzelfallprüfung in die Praxis flattert, sollten Sie sich schnellstmöglich rechtlich beraten lassen. Die Rechtsberatung des Virchowbundes prüft u. a. Ihre Stellungnahme und gibt Ihnen wertvolle Tipps, welche Argumente Sie vorbringen können.

Wir haben schon vielen Ärzten geholfen, einen Regress abzuwenden und ihr wohlverdientes Honorar zu behalten. Ich berate Sie gern.

Andrea Schannath
Rechtsberatung

Welche Verordnungen haben bei Ihnen schon zu Regress-Androhungen geführt? Welche Krankenkassen stechen negativ hervor? Hinterlassen Sie uns einen Kommentar.

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