Behandlungsfehler: So reagieren Sie richtig
Hier erfahren Sie, was als ärztlicher Behandlungsfehler gilt und was nicht, wer bei einem vermuteten Behandlungsfehler in der Beweispflicht ist und wie Sie angemessen auf Behandlungsfehler reagieren.
Auch in der bestorganisierten Praxis passiert es, dass einem Arzt oder einer MFA ein Fehler unterläuft. Manchmal glaubt auch ein Patient, dass er fehlerhaft behandelt worden wäre.
Patienten haben die Möglichkeit bei vermuteten Behandlungsfehlern die Gutachter- oder Schlichtungsstelle der jeweils zuständigen Ärztekammer anzurufen. Die Ärztekammer untersucht dann, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler vorlag.
Rund 11.000 Behandlungen werden so jedes Jahr überprüft. Die meisten Vorwürfe betreffen Krankenhäuser. Im niedergelassenen Bereich sind vor allem die Fachrichtungen
- Unfallchirurgie/Orthopädie
- Allgemeinmedizin (Hausarzt)
- Augenheilkunde
- Innere Medizin
- Gynäkologie
- Allgemeinchirurgie
- Radiologie
mit dem Vorwurf eines Behandlungsfehlers konfrontiert.
Seit 2006 werden die Daten zusätzlich über das Medical Error Reporting Systems (MERS) in einer bundesweiten Statistik erfasst. 2019 wurde in weniger als 3 von 10 Fällen ein Behandlungsfehler eines niedergelassenen Arztes durch die Prüfung tatsächlich nachgewiesen.
Was ist ein Behandlungsfehler?
Der Bundesgerichtshof definiert einen Behandlungsfehler als eine Handlung oder Unterlassung eines Arztes, die dem zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief.
Behandlungsfehler können darin bestehen, dass ärztliche Maßnahmen in Diagnostik und/oder Therapie entweder unnötigerweise, unter Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht vorgenommen wurden oder dass notwendige ärztliche Maßnahmen unterlassen werden.
Ein Arzt kann den Erfolg der Behandlung nicht garantieren. Sorgfalt ist das oberste Gebot, um Behandlungsfehler zu vermeiden.
Als medizinischen Standard bezeichnet man das Verhalten, das von einem gewissenhaften oder aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs zum Zeitpunkt der Behandlung vorausgesetzt und erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der erforderlich ist um das Behandlungsziel zu erreichen und sich in der Erprobung bewährt hat.
Ein Behandlungsfehler kann zu einem Gesundheitsschaden führen. Damit ist ein gesundheitlicher Nachteil gemeint, der zusätzlich zu den krankheitsbedingten Beeinträchtigungen ursächlich durch eine ärztliche Behandlung eintritt.
Gesundheitsschäden müssen nicht notwendigerweise bleibend sein. Es genügt schon eine nicht völlig unbedeutende gesundheitliche physische und/oder psychische Beeinträchtigung, wie z. B. vorübergehende Schmerzen oder eine erneute Operation.
Behandlungsfehler beweisen
Grundsätzlich trägt der Patient die Beweislast dafür, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und die Ursache für einen Gesundheitsschaden war.
In bestimmten, gesetzlich geregelten Fallkonstellationen gibt es Beweiserleichterungen für Patienten. Der Arzt trägt dann die Beweislast in Teilen oder möglicherweise auch vollständig.
Eine Beweislast-Umkehr tritt beispielsweise beim groben Behandlungsfehler ein, wenn der Arzt besonders schwerwiegend gegen den medizinischen Standard verstoßen hat.
Wenn eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis nicht dokumentiert wurden, hat das ebenfalls eine Beweiserleichterung für den Patienten zur Folge. Dann wird nämlich vermutet, dass der Arzt diese Maßnahme nicht getroffen hat.
Haftung bei Behandlungsfehlern
Da Ärzte für Behandlungsfehler haften, müssen sie sich über eine Berufshaftpflichtversicherung finanziell absichern. Eine Berufshaftpflichtversicherung ist u. a. Voraussetzung für die Niederlassung.
Mitglieder im Virchowbund können eine Berufshaftpflichtversicherung zu besonders günstigen Konditionen bei unserem Partner Ecclesia Med abschließen.
Für Behandlungsfehler von angestellten Ärzten und Partnern in der Praxis haften Praxisinhaber zum Teil ebenfalls. Auch Erben können noch rückwirkend für Behandlungsfehler eines verstorbenen Arztes verklagt werden.
Wenn die ärztliche Kooperation (z. B. die BAG) als Partnerschaftsgesellschaft geführt wird, ist die Haftung allerdings beschränkt. Mehr dazu erfahren Sie in unserer Praxisinfo „Partnerschaftsgesellschaft“ und in unserer Rechtsberatung für Mitglieder. Lesen Sie hier mehr zum Thema Arzthaftung.
Auf Behandlungsfehler reagieren
Früher durften Ärzte Fehler gegenüber Patienten nicht eingestehen. Sie liefen Gefahr, ihren Versicherungsschutz zu verlieren. Das ist zum Glück heute nicht mehr der Fall.
Ärzte dürfen und sollten geschädigte Patienten bzw. deren Angehörige wahrheitsgemäß über alle Tatsachen der Behandlung aufklären. Erfahrungsgemäß wünschen sich die meisten Betroffenen vor allem eine Entschuldigung. Vermeiden Sie dennoch im Gespräch und in der übrigen Kommunikation mit dem Patienten oder dessen Rechtsanwalt die Schuld anzuerkennen.
Nehmen Sie sich für das Gespräch Zeit. Erläutern Sie sachlich den Vorfall und seine möglichen Folgen. Drücken Sie sich klar und unmissverständlich aus. Zeigen Sie aber auch Ihr Mitgefühl. Auf unserem DocCheck-Kanal finden Sie weiterführende Tipps, wie Sie mögliche Behandlungsfehler kommunizieren.
Außerdem müssen Sie Ihre Haftpflichtversicherung unverzüglich über alle Umstände informieren, die zu einer Haftung führen könnten – spätestens innerhalb einer Woche.
Eine komplette Checkliste für den Umgang mit tatsächlichen oder vermuteten Fehlern finden Sie in unserer Praxisinfo „Behandlungsfehler“. Darin geben wir auch Tipps, wie Sie sich gegen unbegründete Vorwürfe wappnen können.
Falls Ihnen ein Patient strafrechtliches Handeln vorwirft, könnte Ihnen zusätzlich eine Hausdurchsuchung durch die Staatsanwaltschaft drohen. Wie Sie sich in diesem Fall verhalten sollten, zeigt Ihnen die Praxisinfo„Besuch vom Staatsanwalt“.
In jedem Fall ist es eine gute Idee, sich rasch juristischen Beistand zu holen. Unsere Rechtsberatung ist kostenlos für Virchowbund-Mitglieder – auch in solchen Fällen.
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